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Ein Gespräch von Dorothea Strauss mit Felix S. Huber, Zürich 5. Juli 1997
Erschienen im "Fön" No: 27, Anlässlich der Ausstellung in der Kunsthalle St. Gallen 1997.

Dorothea Strauss: Felix, du nimmst an der Documenta X in Kassel mit einem Internet-Projekt teil.....

Felix S. Huber: ..... Ja, das ist ein Projekt zusammen mit Philip Pocock, Udo Noll und Florian Wenz, das sich wiederum aus dem Projekt "Arctic Circle" entwickelt hat, das ich zusammen mit Philip vor zwei Jahren im Norden von Kanada realisierte.

D.S. "Arctic Circle" war doch ein Reiseprojekt?

F.H. Ja, und das Folgeprojekt "a description of the equator and some otherlands" ist im erweiterten Sinne ebenfalls ein Reiseprojekt. Nur sind jetzt Reisen möglich, die nur virtuell stattfinden. In Zusammenarbeit mit weiteren Autoren entstehen äber den ganzen Sommer hinweg tagebuchartige Eintragungen, die sich zu kleinen Story-Lines verbinden und sich laufend weiterentwickeln; das sind kleine Geschichten, Erinnerungen, Fotografien, Texte und auch Briefwechsel. Und wenn man sich in unser Projekt einklinkt, sieht man die letzten Beiträge die wir geschrieben haben oder als Fotos reingegeben haben.

D.S. Wann war dein letzter Beitrag?

F.H. Vorgestern. Das war eine Antwort auf eine Frage, die jemand aus New York gestellt hat und daraus entstand dann ein kleiner Dialog.

D.S. Im Documenta-Kurzführer schreibt Paul Sztulmann u.a. über euer Projekt:"Jeder kann als Autor selbst erlebte oder erfundene Szenen hochladen, auf die Erzählstränge der anderen reagieren und Online eine Welt aus "lesbaren Körpern" schaffen. (...) Und so nimmt das Spiel seinen Lauf. Was als klassischer Experimentalfilm beginnt, der in erster Linie aus Wörtern besteht, verschmilzt mit einer spielähnlichen Dramaturgie, die von Benutzern hervorgebracht wird, die zu Autoren werden; und Autoren, Benutzer und Geschichte werden ununterscheidbar."

Das bedeutet also, dass sich jeder und jede in dieses Projekt einklinken kann und quasi Teil eines - im erweiterten Sinne - Autorenfilms wird?

F.H. Ja, sozusagen. Wobei die Bezeichnung Autorenfilm wirklich im erweiterten Sinne gebraucht werden muss. Die Gäste, die von aussen kommen, können über email Fragen stellen oder Kommentare abgeben.

D.S. Ach so, das heisst dann aber auch, dass die Gäste nichts aktiv verändern, bzw. umschreiben können?

F.H. Nein, das ist den Autoren vorbehalten. Aber wir haben vorgesehen, dass wir, wenn dafür wirklich ein starkes Interesse bestehen sollte, durchaus neue Autoren aufnehmen Können, die dann mittels eines Passwortes Beiträge direkt und selbst in die Seite einfügen können.

D.S. Deine früheren Fotografien und auch die neuen Videoarbeiten sind sehr sinnlich. Der technische Rahmen bei einem Internetprojekt erscheint mir aber erst einmal wesentlich kühler und distanzierter. Findest du Internet sinnlich?

F.H. Es gibt sinnliche Bereiche, wie die Chat-Lines und eigentlich alles, was "live" übertragen wird. Das Gefühl, an etwas teilzuhaben, das gerade passiert, ist das sinnliche Moment im Netz. Das Spiel mit dem Netzwerk, das Überraschende in Verbindung mit der Macht über ein kleines Universum - per Mausklick..... Nur, diese Sinnlichkeit kann sehr schnell erstarren, wenn man 'mal wieder im Datenstau steckt. Im Netz bedeutet Sinnlichkeit Bewegung. Allerdings meinte Philip, dass das Warten auf Daten ein wichtiger sinnlicher Teil sei. Dafür muss man aber schon einen tranceänlichen Zustand erreicht haben. Trotzdem ist das Internet ein noch immer nicht leicht ansprechendes Medium.

D.S. Was also interessiert dich daran?

F.H. Ich habe früher mit Fotografie gearbeitet und schon damals versucht, von der Materialität wegzukommen. Mit dem Medium Internet geht man praktisch noch einen Schritt weiter, um auch das Fotopapier, das dünne Papier, die glatte Oberfläche hinter sich zu lassen, Es ist ein völlig virtuelles Medium. Du schaltest es ein und es ist da. Oder du schaltest es aus und es ist wieder weg. Gerade dieses Entziehen, dieses absolut Virtuelle reizt mich. Aber es stimmt, was du sagst, dass das im gewissen Sinne auch ein Widerspruch zum Beispiel zu meinen Videoarbeiten ist. Wichtig für die Arbeit in der Kunsthalle ist, dass sie zwar nicht körperlicher, aber räumlicher werden.

D.S. Auf der Suche nach dem Nichtgreifbaren thematisierst du gleichzeitig aber immer auch die Sehnsucht, es doch zu können, das Ungreifbare greifbar zu machen. Und an diesem Punkt sehe ich die Verbindung zwischen all deinen Arbeiten. Im Gegensatz zu deinen Internetprojekten wird in der Videoarbeit in der Kunsthalle die Raumerfahrung ein ganz wichtiges Element sein?

F.H. Ja. Es wird eine Videoinstallation, die einen Aussenraumin einem Innenraum simuliert. Es geht um eine Parklandschaft, die in den Ausstellungsraum mittels Videoprojektionen und Ton transportiert werden soll.

D.S. Auf welche Weise wirst du die Videos projizieren?

Sie werden mit Beams auf eine Leinwand und die umgebenden Wände projiziert. Der Raum wird dunkel sein, wodurch sich die BetrachterInnen körperlich anderst wahrnehmen;man verschmilzt stärker mit dem Bild und fängt an bewuster wahrzunehmen. Die Schatten der BetrachterInnen folgen den Personen auf den Leinwänden.

D.S. Ist die Tonspuhr denn wichtig?

F.H. Sehr sogar. Es werden reale Töne aus dem Aussenraum sein, von der Strasse, oder auch aus dem Park. Und teilweise sind sie manipuliert und enthalten repetitive Elemente und erzählerische Momente. Es geht um einen Gesamtklang, der ein räumliches Gefühl schafft und Geräusche wiedergibt, die sich im Raum bewegen. Die Tonspuhr wird zwar sehr sensibel und unaufdringlich sein, aber trotzdem die Atmosphäre der Bilder unterstützen.

D.S. In den folgenden Wochen schneidest du das Rohmaterial. Nach welchen Kriterien wirst du vorgehen?

F.H. Ich habe gerade erst angefangen zu schneiden und ich muss sagen, ich weiss im Moment weniger als am Anfang, als ich die Aufnahmen noch gar nicht hatte. Da hatte ich eine klarere Vorstellung, als jetzt. Das hängt damit zusammen, dass das Material halb gestellt, halb dokumentarisch ist und ich daran interessiert bin, genau mit diesem Widerspruch im Material selbst umzugehen.

Ich lege immer wieder Wert auf den dokumentarischen Teil des Materials, das es natürlich nie ganz ist, weil Personen darin vorkommen, mit denen ich eigens die Aufnahmen gemacht habe. Dennoch gibt es keine wirklichen Szenen, sondern der Park wurde als "Bühnenraum" gebraucht, in dem die verschiedenen Personen eher im Sinne von Selbstdarstellern auftreten.

D.S. Weshalb wähltest du als "Bühnenraum" gerade eine Parklandschaft aus?

F.H. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen hat mir der Park immer gut als Landschaft, vor allem als gestaltete Landschaft gefallen. Man kann darin das Verhältnis der Gesellschaft zur Natur sehen. Ausserdem ist die Landschaft schon seit jeher als Spiegel für innere Zustände benutzt worden. In einer Parklandschaft gibt es keine eindeutig definierte Gegenstände und Architekturen, wie zum Beispiel in einer Stadtlandschaft, sondern sie ist eine Form von gestalteter, organisierter Natur. Die Parklandschaft im Video schaft eine Identifikationsebene für die BetrachterInnen und spiegelt ihre psychologischen Zustände wider.

D.S. Du hast im Frühling dieses Jahres ein ähnliches Projekt im Kunsthaus Zürich realisiert. Inwieweit hängen die beiden Projekte zusammen und wirst du in der Kunsthalle ähnliches Material verwenden?

F.H. Das Projekt im Kunsthaus ist eine in sich geschlossene Arbeit. Allerdings plante ich während der Vorbereitungen bereits, den Park als Bühne auch für die zweite Arbeit zu nehmen. Aus diesem Grund hängen beide Projekte natürlich zusammen.

D.S. Wie im "Rücken den Waldrand" (Kunsthaus Zürich) spielt auch in "ambient green" (Kunsthalle St. Gallen) das Thema der Nähe und Ferne eine grosse Rolle. In Beiden Arbeiten wird eine Gratwanderung zwischen Sehnsucht nach Nähe und gleichzeitige Furcht davor spührbar. Es geht aber auch um eine Sehnsucht nach dem eigenen Ich, um eine bewusste Befragung der persönlichen Vorstellungen, die eine inividuelle Haltung dem Leben gegenüber erst möglich machen. In einzelnen Szenen wird nicht gesprochen, die schweigsame Kommunikation lädt die Atmosphäre sehr auf und schafft viele Momente, die eine diffuse Spannung entstehen lassen: rein faktisch passiert eigentlich wenig, doch atmosphärisch passiert ungemein vieles. Geht es auch um eine melancholische Befragung der eigenen Befindlichkeit?

F.H. Ja, ich denke schon. In der Arbeit im Kunsthaus geht es ganz klar um Kontaktaufnahme zwischen den BetrachterInnen-BesucherInnen der Ausstellung - und der Person im Video. Und es geht um die Auslotung der Genze zwischen dem Medium und der realen Person. Es entsteht eine Beziehung zwischen der Person im Videofilm und den Betrachtern; durch diese Illusion kommt es auch zu dieser gewissen Melancholie. Das Ganze hat villeicht auch etwas mit einer inneren Befragung zu tun, weil die Kommunikation mit einer Person die ein Videobild ist, den Betrachter stark auf sich selbst zurückwirft, denn eine wirkliche Kommunikation ist ja nicht möglich. Es ist eine Reflektion eines inneren Zustandes, aber weniger aus der Sicht der Filmakteure, sondern aus der Perspektive der BetrachterInnen.

D.S. Fördert denn die "Agonie des Realen" wie sie Beaudrillard diagnostiziert, die Bedeutung der Simulation, oder fördert die Simulation die Wahrnehmung der Realität?

F.H. Bestimmt fördert die "Agonie des Realen" die Simulation, wobei man sehen muss, dass sich diese Simulation wieder in das Reale einfügt. Simulation als Kulturgut wird zum Realen. Was wir im Moment erleben, ist eine massive Ausweitung der "technischen" Simulation, gefördert durch die technische Realisierbarkeit.

D.S. In deine früheren Fotoarbeiten ging es häufig auch um dieses Verhältnis zwischen Simulation und Realität und um einen ständigen Austausch zwischen der inneren Vorstellungskraft und der äusseren Realität. Wie wichtig ist die Abgrenzung zwischen Realität und Simulation?

F.H. Simulation als solche war schon immer ein fester Bestandteil der Realität; Wahrnehmung ist ein Akt von Simulation. Bei den Fotoarbeiten habe ich versucht, eine Stimmung mit dem Foto aufzubauen, in der sich der Betrachter wiederfinden kann. Durch die Grösse der Fotos entstand ein theatralischer Effekt, ein Bühneneffekt.

D.S. Einige Personen in "ambient green" erscheinen introvertiert und bleiben unklar, über was sie nachdenken und mit welchen Problemen sie sich beschäftigen. Sie verfolgen ihre Gedanken genauso, wie die Kamera sie auch verfolgt, oder beobachtet. Dabei nimmt die Kamera immer wieder objektive und statische, dann wieder subjektive, leicht verwackelte und verfolgende Positionen ein. Es ist so, als würde man den Personen hinterherlaufen, sie verfolgen und durch das Gebüsch und durch die Bäume hindurch beobachten. Die Personen laufen durch den Park und finden wie somnambul ihre Wege; ihr scheinbar zielloses Umhergehen schafft eine sehr symbolhaft aufgeladene Situation. Das ist geheimnisvoll und durchaus auch erotisch. Was ist dir nun wichtiger in deiner Arbeit, die Enträtselung oder Verrätselung?

F.H. Ich habe es noch nie geschafft, etwas zu enträtseln, wobei ich es immmer wieder versuche.

D.S. Fotografierst du noch?

F.H. Selten. Ich habe die Fotografie mit dem Video getauscht. Was ich früher als tagebuchähnliche Aufzeichnungen mit dem Fotoapparat gemacht habe, mache ich heute mit der Videokamera.

D.S. Noch einmal zurück zum Park: der Park schafft ja eine Situation innerhalb eines urbanen Gefüges, die einen Rückzug aus der Stadthektik erlaubt und doch gleichzeitig keine Konsequenzen mit sich zieht; man bleibt doch in der Stadt. Der Naturbegriff im Park basiert also auf einer künstlich geschaffener Bühne innerhalb anderer urbanen Bühnen und die gezähmte Natur erscheint noch wild genug, dass sie genügend Raum für Naturerfahrung bietet, die eigentlich eine Simulation der Natur ist.

F.H. Ja, das ist ein wichtiger Punkt, denn reine Natur im Sinne von Ursprünglichkeit hat mich eigentlich nie interessiert. Spannender ist für mich die gestaltete Natur, die auch dramaturgisch aufgebaut wird und im Zusammenhang mit Urbanität steht, weil sie eine wesentliche Funktion innerhalb der Stadt erfüllt. Da ist dieses perverse Moment am Park.

D.S. Wiso pervers?

F.H. Weil die Natur im Park inszeniert ist und demnach genauso den architektonischen und gestalterischen Gesetzen gehorcht, wie der andere Teil der Stadt. Und gleichzeitig scheint doch der Begriff Natur eben genau das Gegenteilige auszulösen und zwar im Sinne von Natürlichkeit und Unbezwingbarkeit, also im sinne von einer "unzähmbaren Naturgewalt". Der Park ist eine gewisse Form von Playland und die Leute bewegen sich darin anders, als an einem anderen Ort, wie z.B. in einer Einkaufszone und dennoch liegt nur eine Strasse zwischen zwei unterschiedlichen Lebensgefühlen.

D.S. Im Park herrschen ambivalente Gesetze, vieles ist möglich, weil es keine so klaren Gesetze gibt, wie z.B. in einem Strassencafe. Am Tag ist der Park erholsam und nachts kanner gefährlich sein. Der Park löst sehr unterschiedliche Stimmungen aus, Denn Stadtraum Privatraum prallen aufeinander und in jedem dieser Räume bewegt man sich anderst und zeigt eine andere Facette seines Wesens und seiner Wünsche;die Realität im Park ist mehrdeutig. Ich denke gerade an die Parkszene in "Blow Up".....

F.H. ....ja, diese Szene ist sehr wichtig, um eine Stimmung zu erzeugen, die den ganzen Film bestimmt; diese gewisse Unheimlichkeit und Melancholie. Mit Windgeräuschen und der leeren grossen wiese werden die Charaktere und ihre innere Situation aufgebaut. Und dann gibt es noch eine Leiche, die im Park liegt....

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