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second level observer 1998
Live Video Installation im Kunsthaus Zürich. Im Rahmen der Ausstellung Freie Sicht aufs Mittelmeer
Der Innenhof des Züricher Kunsthauses ist eine kleine Oase. Abgeschirmt
von der Außenwelt stehen Weiden um einen Springbrunnen. In Second Level
Observer blickt man von der Cafeteria des Hauses in diesen Garten. Eine Gruppe
junger Frauen und Männer hält sich dort auf. Sie reden miteinander,
rauchen, flirten. »I need your look so bad.« Da§ die Arbeit im Rahmen
der Ausstellung »Freie Sicht aufs Mittelmeer« im Raum des »Nelkenmeisters«
gezeigt wurde, ist kein Zufall. Die Kongruenz der Aura der Arbeiten ist frappierend.
Obwohl zwischen der zeitgenössischen Videoarbeit und den Bildern des ZŸricher
Malers Hans Leu mehr als vier Jahrhunderte liegen, scheint es, als erzählten sie
ähnliche Geschichten. Beide zeigen Menschen in Landschaften und beide interessieren
sich fŸr die kleinen Gesten, die, obwohl unscheinbar, Gesellschaft konstituieren.
»It always means so much, even the softest touch.« Die Signale der Annäherung
und der Zuneigung, der Distanz und der Unsicherheit sind in Second Level Observer
präzise herauspräpariert. Zeitlupengeschwindigkeit und die Wiederholungen kurzer
Sequenzen intensivieren ihre Bedeutung. Manche Ausschnitte haben eine Ÿberraschende
Affinität zu der Darstellung biblischer Szenen in der Malerei der Renaissance.
Andere Sequenzen strahlen einen feinsinnigen, erotischen Esprit aus, der geradezu
humanistisch anmutet. »I see the lovers in the meadows. I see the silhouettes in
the windows. I watch them till they go.« Zwischen den aufgenommenen Szenen liefert
eine ebenfalls im Obergeschoß installierte Kamera regelmäßig Live-Bilder aus dem
Innenhof. Je nach Tageszeit und Wetter hat man einen Blick auf den leeren Platz oder
die Ausstellungsbesucher, die sich dort treffen, ausruhen oder Kaffe trinken. Second
Level Observer ist ein stilles, aber genaues Porträt. Es zeigt die Subtilität eines
Alltags jenseits spektakulärer Events.
Essay von Doris Lösch